Die Wesenszüge der Geschichte heften sich klammheimlich an die Lebenserfahrungen der Autorin. Jedoch ist dieses Werk nicht als Assoziation einer expliziten Autobiographie zu deuten. Vielmehr ist es eine Sammlung aus Erlebtem und Fiktivem. Eine Sammlung, da es keine lineare Geschichtserzählung ist, sondern aus vielen epischen kurzen Anekdoten besteht. Sie versucht die Gräueltaten des 2. Weltkrieges zu projizieren. Im Folgenden möchte ich kurz versuchen, die wichtigsten Aspekte zu erläutern und die Frage zu klären, wieso der Text immer wieder einen Zusammenhang zum Titel „Die größere Hoffnung“ schafft.
Zu Beginn des Buches
findet ein Konsul Ellen, die Hauptprotagonistin, schlafend auf einer Landkarte.
Sie bittet ihn, um ein Visum, da keiner für sie bürgen will und ihre Mutter
bereits nach Amerika ausgewiesen wurde. Der Konsul gewährt ihr kein Visum aus dem
Grund, weil nur jemand, der sich selbst ein Visum geben kann, frei ist. Als sie
am nächsten Tag aufwacht, ist keiner da. Sie hört nur von einem Blinden, dass
der Krieg ausgebrochen sei. Dieser wird während des Buches noch zu seinem
Höhepunkt gelangen und immer heftiger.
Die erste Begegnung
mit der Hoffnung macht man in der Szene, in der Ellen auf Kinder am Kai trifft.
Diese warten, dass ein Kind ins Wasser fällt, damit sie es retten könnten, dann
würde man für sie bürgen, weil sie eine heroische Tat vollbracht hätten. Die
Kinder besitzen 4 „falsche“ Großeltern und es ist aus ihrer Perspektive die
einzige Möglichkeit für eine Hoffnung.
In einer nächsten
Abfolge spielen die Kinder auf einem Friedhof, weil sie Spielplätze nicht
betreten dürfen. Züge fahren rasend schnell vorbei, als wollten sie den Kopf
wegdrehen, um das Grauen nicht zu sehen, so wie die Menschen es auch tun. Im
Friedhof sinnieren sie darüber, wo sie hinkönnten. Sie beschließen, dass es das
Heilige Land sein müsste. Jerusalem. Dort könnten sie sorglos leben. In diese
Gedanken tritt wieder der Hauch einer Hoffnung ein.
Die Kinder spielen
ständig ein Spiel im Dunklen. Sie suchen dabei den Frieden. Ein Mann, der sich
als Freund ausgibt, spielt es eines Tages mit ihnen. Jedoch, um sie an Ort und
Stelle zu halten, weil sie deportiert werden müssen. Alle bis auf Ellen. Sie
macht sich auf die Suche nach den Freunden und findet sie. Ein Oberst vernimmt
sie und sagt, dass sie doch froh sein müsse ordnungsgemäß gemeldet zu sein.
Dies sei nicht selbstverständlich. Dadurch, dass Ellen nur zwei „falsche“
Großeltern hat, hat sie auch mehr Rechte. Sie antwortet ihm, dass man nicht an
den Einzelfall denken sollte, sondern an die große Menge. Die Macht. Sie wird
wegen unerlaubten Antworten und Fragen verurteilt und soll am nächsten Tag
abgeholt werden. Sie sagt, dass selbst sie alle in den Behörden nicht wissen,
woher sie sind. Ellen behält auch in größter Gefahr die Hoffnung, ihre Freunde
noch retten zu können.
Am nächsten Tag wütet
der Krieg. Bomben platzen. Sie erwacht in einem Keller. Macht sich auf dem Weg
zu der Brücke, um das Land zu verlassen. Sie gibt bis zu ihrem letzten Atemzug
ihre Hoffnung nicht auf..
Ellen schließt sich den
Unterdrückten an, weil die Machthaber, die ihresgleichen sind, ihr fremd und
bestialisch vorkommen. Aichinger hat einen Roman geschrieben, welcher die
Gefühlswelt der Personen in den Vordergrund stellt. Es ist nicht die
Geschichte, sondern es sind die Charaktere, die diese Geschichte entblößen als
ein Meisterwerk.
Die Frage, wer für
sie jemals bürgen wird, beschäftigt die Kinder das gesamte Buch lang. Wo liegt
die Berechtigung für das Bürgen? Wie weit zurück geht sie? So weit bis zu Kain
und Abel, wo selbst für sie nicht mehr gebürgt werden kann? Die Hoffnung steht
für die Freiheit. Frei ist man nur, wenn man den Idealen und Vorstellungen der
Gesellschaft entspricht. Die Hoffnung entblößt sich jedoch als Fata Morgana.
Schön, unerreichbar, bezweifelbar, ein Schein der trügt.
Als sie auf einem
Dachboden sitzend von Soldaten befragt werden, wo ihre Regeln seien, antwortet
ein Mann, den sie mit einem Messer in den Bauch gestochen hatten, »... und ihr?
Weshalb seid ihr hier? Weil ihr euch nichts erklären könnt, zieht ihr in den
Krieg! Weil ihr euch lächerlich vorkommt, schlüpft ihr in die Uniform.«
(Aichinger 1945: 104)
Diesen Scheinglanz der Hoffnung versucht Aichinger
auch durch einen älteren Mann zu widerlegen: »Man behält nur das, was man
hergibt ...
Gebt ihnen also, was sie euch nehmen, denn sie werden
immer ärmer davon. Schenkt alles weg, um es zu behalten. Werft den Glanz eurer
Gesichter in die Finsternis, um ihn zu verstärken.« (Aichinger 1945: 152).
Die
Hoffnung würde sie alle ändern. Doch sie sollten bis zum Schluss sie selbst
bleiben.
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